Vadim 16

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  Kapitel 12  

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Egal, wie man euch nennt, es ist gut. ~ Wenn die Nächsten mangelnde Disziplin aufzeigen


1. Am zehnten September antwortete der Lehrer nach der Verschmelzung auf Fragen der Gläubigen.

2. „Lehrer, wenn man mich als eine "Dahinsiechende" bezeichnet hat, habe ich es richtig gemacht, als ich gesagt habe, dass mir solch ein Witz nicht besonders gefällt. Oder ist das eine falsche Reaktion?“

3. „Und was ist daran besonders? Was genau gefällt dir nicht?“

4. „Die Bezeichnung selbst. Ich stelle mir sofort so ein schreckliches Bild vor. Oder soll ich überhaupt nicht auf die Benennung reagieren?“

5. „Darauf soll man nicht reagieren.“

6. „Wie man mich auch nennen mag, ja?“

7. „In Wirklichkeit soll man nicht reagieren, egal, wie man dich auch nennt.

8. Es gibt da so einen Spruch: "Worte – sind keine Waffe, sie können nur Dumme verletzen." Deshalb seid weise.

9. Worte sind ja in der Tat einfach akustische Laute. Und ihr verletzt euch schon mit diesen Bildern, die ihr sofort in die gehörten Worte hineinlegt. Obwohl der Mensch, der die Worte spricht, ganz andere Bilder haben kann. Alles wird auf verschiedene Weise benutzt. Darum reagiert nicht vorschnell auf die Worte. Wie man euch auch nennt – ist auch gut, wunderbar!“

10. „Und kann man nachfragen, welches Bild er damit verbunden hat?“

11. „Wofür? In dir wird ja ein gutes Bild entstehen, nun, ist auch normal, du wirst lächeln. Und wenn er dir dein Lächeln verdirbt, dir etwas anderes sagt, nicht so etwas Gutes, was du dir vorgestellt hast?“

12. „Und wenn in mir etwas nicht ganz Gutes entstanden ist, darf ich da um Präzisierung bitten? Vielleicht sieht er wirklich etwas Besseres, etwas Schöneres?“

13. „Finde du es lieber.“

14. „Selbst, ja? Nicht nachfragen?“

15. „Ja, ja.“

16. „Lehrer, ich habe eine Frage zur Disziplin. Angenommen, Verspätung zum Kreis, Verspätung zur Arbeit... Früher war man dem gegenüber bei uns streng. Bei uns wurde das alles betrachtet, es gab irgendwelche Schritte bis dahin, dass man die Stadt (auf dem Berg, Anm. d. Übers.) verlassen sollte. Ich reagiere innerlich schlecht, wenn ich sehe, wie die Menschen, ohne zur Liturgie zu kommen, zum Morgenkreis kommen. Oder sollte ich dem lieber keine Aufmerksamkeit schenken? Denn das wird jetzt nicht mehr so behandelt wie früher (Entschuldigung, Reue im Kreis). Soll ich das alles lassen?“

17. „Eigentlich ist es nicht wünschenswert, das zu lassen. Das ist eure innere Organisation. Wenn sie locker ist, werden wir nichts bauen.

18. In Wirklichkeit kann man mit solch einer Herangehensweise, die einem Menschen zueigen ist und die bei euch zu bemerken ist, mit dieser Herangehensweise kann man nichts bauen. Man kann sogar geradezu sagen: Wenn das im Inneren nicht geändert wird, dann seid ihr umsonst hier zusammengekommen. Ihr werdet euch sehr bald in eine Sackgasse treiben.

19. Wir versuchen, sie zu vermeiden mit Hilfe irgendwelcher zusätzlicher Zwangsmaßnahmen, strengen Maßnahmen zu berichtigen, aber es ist unmöglich, stets auf euch aufzupassen. Wenn sich ein Mensch nicht selbst immer im Inneren organisiert, ist nichts auf die Beine zu stellen.

20. Darum geht bei uns so vieles nicht glatt vonstatten, bei uns kann nicht bald das eine, bald das andere von der Stelle rücken. Denn im Inneren gibt es dieses undisziplinierte, unorganisierte, verantwortungslose Verhalten.

21. Also, der Mensch spürt nicht das Maß der Verantwortung und geht nachlässig damit um. Darum können wir viele Umstände nicht unbedingt fördern. Sie werden zeitlich verzögert und schaffen eine Menge Probleme.

22. Tatsächlich aber sollen die Probleme den Menschen etwas beibringen. Wir versuchen, sie zu flicken, wir versuchen, sie vorauszusehen und irgendwie auszugleichen. Und in der Tat, wenn man schneller lernen will, so soll man diese Probleme überhaupt nicht ausgleichen. Euch einfach selbst in eine Sackgasse hineintreiben lassen, in komplizierte Umstände geraten lassen... und auch sagen: "Holt euch selbst aus der Patsche! Ihr habt das doch selbst geschaffen! Nun, so windet euch heraus." Also, diesbezüglich nicht helfen. Das ist auch eine belehrende Maßnahme.

23. Dann lernt der Mensch zu denken, er aktiviert sein Denken, er versteht, dass dies – aha! – eine schwierige Situation ist, man muss irgendwie schnell einen Ausweg finden, denn da ist etwas schon sehr unangenehm. Und sein Denken beginnt, aktiver zu arbeiten, die verschiedenen Elemente in seinem Blut fangen an, sich schneller zu bewegen, interessante, wichtige Vorgänge beginnen, sich in seiner Psyche zu ereignen.

24. Also, extreme Umstände nötigen den Organismus, mit größerer Geschwindigkeit zu arbeiten, so eine Wirklichkeit zu durchdenken. Es läuft darauf hinaus, dass so etwas recht lehrreich ist, der Mensch kann in sich viel Interessantes aufdecken und sich in die notwendige Richtung lenken.

25. Aber hier kann man nicht so eine harte Disziplin entwickeln, wie in einem Gefängnis oder wie beim Militär. Dort werden viele grobe Sachen veranstaltet, und dadurch wird das alles noch irgendwie aufrechterhalten. Aber es wird aufgrund sehr grober Gesetze aufrechterhalten.

26. Und was ergibt sich denn daraufhin? Braucht ihr das etwa wirklich? Ist euer Kopf etwa derart zu dumm, dass es sich so vollzieht? Ist es unbedingt notwendig, dass euch etwas nahegebracht werden soll mittels eines Stockes, der Peitsche oder sonst was auf die hintere weiche Stelle, bildlich gesprochen?

27. Aber wie soll man euch denn zusammenkriegen? Das ist wie eine Herde, die ständig auseinanderläuft und die jemand zusammenbringen soll. Oder soll irgendein Hund herumlaufen, die Herde durch sein Bellen zusammentreiben, sie einschüchtern... und die Schäfchen versammeln sich.

28. Was braucht ihr denn? Warum erlaubt euch der eigene Kopf nicht, das Maß der Verantwortung einzuschätzen – wenn etwas irgendwie benannt ist, dass es nur so gemacht werden muss und nicht anders? Und dann muss man sich einfach disziplinieren, organisieren, sich erziehen.

29. Natürlich wäre es darum gut, wenn ihr versuchen würdet, irgendwelche Vorgehensweisen unter euch irgendwie zu finden, um einander irgendwie zu stimulieren. Versucht es.“

30. „Lehrer, es gab solch eine Vorgehensweise, eben als man diese Menschen zu Brigarden formiert hat, die am arbeitsfreien Tag etwas gebaut haben.“

31. „Ja, so kann man es machen, bitteschön. Es reicht nicht an Arbeitskräften...“

32. „Das war die Zeit, als dies alles die Menschen stimulierte, und danach war dies alles vorbei, wiederum begann das Abgleiten.“

33. „Also, wenn ihr so etwas einführt wie eine kleine, so eine besondere Tradition, so soll man sie nicht umgehen, soll man sie nicht vergessen. Wenn nötig, so schreibt sie als eine Regel irgendwo auf eine Tafel und hängt sie in einer Halle auf, sodass alle sie immer sehen.

34. Aber man soll ihr, dieser Tradition, folgen. Dann kann die Tradition schon nach Jahren den inneren Zustand ändern, und danach wird es nicht nötig sein, dahin zurückzukehren.

35. Es wird einfach eine lange Zeit gebraucht, Jahre werden gebraucht, um beim Menschen diese Gewohnheit zu etwas zu entwickeln, was er bis jetzt nicht so gemacht hatte, so, wie es notwendig ist. Dies soll aber stabil, regelmäßig sein. Solch irgendeine Tradition, die diese Ordnung unterstützt, soll aufrechterhalten werden. Man soll das nicht vergessen.

36. Wenn ihr irgendwelche solch interessante, kluge, eigenartige Maßnahmen einführt, die auch zum Wohle von allem, was vor sich geht, beitragen - nun, bitte.

37. Wisset, dies hier soll nicht vom Lehrer eingeführt werden. Ich bin kein Lehrer, der bestraft. Ihr wisst, wie es sein soll, und jetzt sucht Wege, wie ihr einander helft, das zu tun.

38. Wenn ihr anfangt zu zweifeln, ob ihr vielleicht zu viel übertreibt, dann ist das eine andere Sache. Ihr fragt bei Mir nach: "Diese Methode da bei uns ist wahrscheinlich zu hart? Ist das vielleicht eine Übertreibung?"

39. Obwohl, Ich weiß: Das, was ihr euch hier ausdenken werdet, das wird nicht übertrieben sein. Ihr, die ihr hierhergekommen seid, ihr seid nicht solche Leute, die übertreiben werden. Darum versucht es, durchdenkt es.

40. Disziplin, Organisation sind aber sehr wichtig, denn bei uns gibt es überall ein sehr starkes Auseinanderlaufen. Eben darum, weil die Behandlungsweise so milde ist: Man verlangt quasi nicht, niemand entlässt einen, niemand entzieht das Geld, niemand entzieht den Lohn.

41. In der Welt gibt es Maßnahmen, um auf etwas Druck auszuüben. Erst recht jetzt kann es sogar noch einfacher sein: Hopp – und man hat einen entlassen. Und das war's, geh jetzt umher, suche jetzt Lohn und ernähre deine Familie wie du willst. Deshalb geht dort der Mensch der Demütigung entgegen, man demütigt ihn – er erduldet das. Weil er weiß – eine andere Arbeit ist nicht zu finden.

42. Und hier habt ihr ein bisschen andere Umstände. Sie sind für einen Gläubigen berechnet. Ein Gläubiger ist derjenige, der glaubt und sich mit seinem ganzen Herzen bemüht, alles genau so zu tun, wie es auf seinem Lebensweg bestimmt wird. Dies da ist der Standpunkt eines Gläubigen.

43. Darum wird für einen Gläubigen nicht vorausgesetzt, dass er zusätzlich noch stimuliert werden muss. Und wenn wir im Gespräch vom Stimulieren anfangen zu reden, wie man den Menschen zwingen kann, sich auf dem Weg des Glaubens zu bewegen, dann handelt es sich in der Tat um keinen gläubigen Menschen, er hat eine zu primitive Vorstellung vom Glauben.

44. Also, mit so einem Glauben... das ist das, was es immer schon mehrheitlich gab: Die Menschen lebten und machten Dummheiten, während sie sozusagen glaubten. Das alles ist aber nur "sozusagen", tatsächlich ist das aber einfach nichts.

45. Deshalb kann man so leicht die Zeitungen herumliegen sehen, die irgendwo unordentlich herumfliegen (Gemeinschaftszeitung “Gelobtes Land“, Anm. v. Vadim). So etwas ist ein Kennzeichen. Also, in Wirklichkeit gibt es im Grunde genommen wahrscheinlich sogar auch gar keine Gläubigen. Vielleicht einzelne Personen, aber sie haben es schwer in der großen Menge, die die Disziplin stets locker handhabt.

46. Darum versucht, euch zu mobilisieren. Zumal die Stadt ("Gorod", die Mustersiedlung auf dem Berg nahe beim Lehrer, Anm. d. Übers.) – wie ein Heiligtum anzusehen ist. Dies ist überhaupt ein Platz, wo alles in allen Bereichen immer besser sein muss. Nur dann wird dieser Platz zu einem Vorbild für die anderen und zieht sie quasi hinter sich her, schafft ein Vorbild und ein Energie- und Informationsmilieu, das die anderen inspiriert.

47. Ihr seid verantwortlich für alle hier Lebenden, generell hier auf diesem Stück Erde. Ihr, die Bewohner der Stadt, dieser Siedlung, tragt eine vielfach größere Verantwortung, als jeder andere in einer anderen Siedlung. Ihr seid jetzt für alle verantwortlich, die auf allen anderen Territorien, in Dörfern und Siedlungen rings um euch herum leben. Ihr seid für sie verantwortlich, ihr seid Vorbild.

49. Von hier aus versucht auch, euer Verhältnis zu eurem Leben umzugestalten und euch zu organisieren. Ihr seid verantwortlich, ihr habt euch für diesen Weg entschieden, ihr habt beschlossen, hier zu sein, nun, seid jetzt dementsprechend so, wie es erforderlich ist.

49. Folglich müsst ihr verschiedene Wege finden, wie ihr euch gegenseitig mobilisiert, wie ihr euch untereinander helft, irgendwelche Schwächen, Zerstreutheit, Unaufmerksamkeit, welche euch hier und dort zu Versäumnissen zwingen, zu bewältigen... So helft euch gegenseitig.

50. Also, gehen wir davon aus, dass ihr alle es vor allem richtig machen wollt. Gut, jetzt muss man sehen, wie man einander helfen kann, das alles richtig zu machen.

51. Denn jemandem wird es leicht gelingen, dem anderen wird es nicht so leicht gelingen, er hat eine Menge Schwierigkeiten, seine Schwächen, er wird es schwer haben, das zu bewältigen. Folglich muss man euch helfen. Und findet irgendeine Methode, führt sie als eine Tradition eures Lebens ein.

52. Denn eure Zusammensetzung ändert sich sowieso ab und zu. Und sie wird sich ändern, neue Menschen werden kommen, jemand wird wegziehen, statt seiner werden andere kommen (oder nicht weggehen, aber andere kommen).

53. Sowieso werden Menschen kommen, und sie sollen in irgendeine traditionelle, schon stabile Formierung eures Verhaltens geraten. Und dies wird sie schneller mobilisieren, erziehen, sie werden schneller in das Flussbett eurer schöpferischen Äußerungen eingehen und werden bald alles schon ebenso gekonnt mit euch zusammen erfüllen.

54. Ihr müsst aber dieses Milieu herstellen. Und wenn es bei euch schwach ist, wenn es bei euch im Innern nicht da ist, wird es stets viele Probleme geben, es wird schwerfallen, die Arbeit zu tun. Denn immer wieder wird etwas dazwischen kommen, bald hier, bald dort und ständig. Das ist schwierig.

55. Bisher bringen wir es fertig, etwas zu ebnen, aber das ist unter den Bedingungen, wo wir gezwungen sind, uns gegen das zu richten, wozu ihr euch im Grunde genommen versammelt habt. Und wir greifen nach Hilfe dorthin, in jene Richtung, um die nicht normalen Momente auszugleichen, die oft gerade mit schwacher Organisation verbunden sind. So, wenn es uns bisher noch irgendwo auch gelingt, so zu handeln, so soll das eigentlich nicht so verlaufen.“

56. „Lehrer, Deine Hinweise gehen verloren. Einst haben wir eine Entscheidung getroffen: Drei Menschen sollten alle Hinweise, die sich auf die "Stadt" beziehen, vollständig in ein Heft eintragen, damit Neuankömmlinge sie zur Kenntnis nehmen und wir nicht rückblickend dahin zurückkehren müssen. Führende Personen der neu angekommenen Menschen kennen die alten Hinweise nicht, und praktisch setzt ein verschwommener Zustand ein, wie mir scheint, sodass dadurch...“

57. „Ernennt dafür einen neuen Verantwortlichen – das ist alles. Verlangt es dann von ihm.

58. Also, ihr sollt jetzt eine bestimmte Struktur eures Verhaltens schaffen, so einen Leitfaden, wo etwas zur Tradition werden soll. Und die Tradition soll streng eingehalten werden. Und nur wenn irgendeine Nuance nicht mehr aktuell ist, dann können wir sie ändern oder gar abschaffen. Solange man sie aber braucht, soll sie als heilig angesehen werden...“

59. Zum Abschluss sagte der Lehrer: „Ich habe euch jetzt einen Hinweis gegeben. Ihr müsst einige Methoden in eurem Leben erschaffen, die jeden Tag bei euch zur Anwendung kommen müssen und auf die ihr aufpassen müsst. Unbedingt aufpassen! Das heißt, ihr müsst euch erziehen.

60. Tatsächlich kann das nur für denjenigen hart oder irgendwie unbequem aussehen, bei dem dessen innere Welt nicht strukturiert ist. Nur bei so einem kann so etwas Unruhe hervorrufen, denn so etwas gestaltet ihn um, und im Inneren möchte er sich nicht umgestalten. Und in Wirklichkeit ist so etwas sehr wichtig, die Organisation spielt eine sehr große Rolle.“