23.09.2016
- Die Kunst, mit den Mitmenschen zu sprechen (vorläufige annähernd wörtliche Übersetzung) |

Ich
denke, viele Menschen konnten darauf aufmerksam werden, dass
diskutierende Opponenten im Verlauf eines hitzigen Streites – sozusagen
vom Selben redend – in Wirklichkeit über verschiedene Sachen sprechen.
Was oft auch zur Ursache für einen entstehenden erhöhten Grad an
glühenden Leidenschaften wird. Jemand bemerkt dies im Verlauf der
Diskussion selbst, ein anderer nachher, viele aber bemerken dies
überhaupt nicht und denken nicht einmal an diese Besonderheit! Gerade an die Besonderheit, weil sie auf einer bestimmten psychologischen Gesetzmäßigkeit beruht! Um es genauer zu sagen, so kann die menschliche Zivilisation nur als eine bedingt vernünftige bezeichnet werden. Weil
der Mensch bei all seinem Bemühen nicht in der Lage ist, die ihn
umgebende Realität, rein vernünftig wie ein Computer, unabhängig von
seinen Gefühlsbesonderheiten zu fixieren. Gerade das emotionale
“Prisma“ nötigt den Menschen, die umgebende Realität in einer etwas
entstellten Form wahrzunehmen! Je nachdem mit welcher emotionalen und
ideologischen Einstimmung der Mensch irgend einer neuen Information
begegnet, nimmt er auch mit der selben charakteristischen Verzerrung
die geäußerte Neuigkeit wahr! Und da den Menschen ihre
ausschließlich unwiederholbare eigene Gefühlswelt, ideologische Reife
und emotionaler Zustand dieses konkreten Augenblicks eigen ist, so
fixieren sie das Selbe auf ganz unterschiedliche Weise! Weswegen man
bei einem Streit über das Selbe und anscheinend Offensichtliche leicht
anfängt, sich emotional zu erhitzen – durch das Nichtbegreifen dessen,
dass doch einer das nicht sehen konnte, was der andere sieht. Dem
Menschen erscheint es als normal, dass so, wie er eben irgendeine
konkrete Realität wahrnimmt, dass sie auch so von allen anderen
Menschen wahrgenommen wird. Aber so etwas hat es niemals gegeben und wird es niemals geben! Gerade in Bezug auf die Besonderheiten des Menschen! Wenn
man diesen Umstand berücksichtigt, kann man entweder ein bedrückendes
oder ein lustiges Bild sehen – wenn ihr einen mit euch eifrig
streitenden Opponenten seht, so bleibt für euch vor allem zu verstehen,
dass er in Wirklichkeit nicht mit euch streitet, sondern mit seinen
Vorstellungen von euch und euren Werten! Das heißt, indem euer
Nächster euch für dumm und letztendlich als nicht normal benennt, gilt
die Einschätzung und das Urteil in Wirklichkeit nicht euch, sondern dem
Bild, das sich in seinem Bewusstsein festgesetzt hat und mit dem er
euch meint. Aber dabei wäre es für euch günstig zu verstehen, dass,
je stärker die innere Welt des Menschen von schwierigen Komplexen und
Ängsten erfüllt ist, umso negativer wird sich sein Bild über alles, was
ihm noch nicht bekannt ist, gestalten, und folglich ist er leicht
bereit, mehr negative Einschätzungen zu äußern! Darum beeilt euch
nicht, traurig zu werden, wenn jemand, wer es auch sein mag, negative
Einschätzungen in Bezug auf eure Eigenschaften äußert, weil diese
Einschätzungen in der Regel keinen Bezug zu euch haben! Die
Fähigkeit, mit seinem Mitmenschen zu kommunizieren, nicht aber mit
einer Vorstellung von ihm, setzt vor allem das völlige Fehlen von
kategorischen Behauptungen über die von ihm bekundeten Besonderheiten
voraus, das Benehmen betreffend, als auch die Rede. Die Hauptsache
bei der Kommunikation miteinander ist zuerst das Bestreben zu
verstehen, was gerade euer Nächster zu äußern versucht. Weswegen man
sich in der Regel vor allem nicht darin begrenzen soll, eine Menge an
präzisierenden Fragen zu stellen, selbst wenn es euch scheint, dass
alles klar ist. Habt keine Angst, durch so eine Form der
Gesprächsführung dumm dazustehen. Echte Dummheit ist es, eine eilige
Schlussfolgerung zu ziehen bezüglich dessen, was ihr sehen oder hören
konntet!
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